Burnout-Prävention durch „Tango Argentino“

Sich von der Nicht-Verstehbarkeit nicht stressen lassen.

Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich nur in ihr zurechtfinden“ lautet ein Zitat von Albert Einstein. Wenn ich im Alltag oder im Berufsleben in eine Situation komme, die ich nicht verstehen oder begreifen kann, versuche ich mich an dieses Zitat zu erinnern und daran, dass mich das Nicht-Verstehen nicht davon abhalten muss, trotzdem in einer für mich passenden Form mit dieser Situation umzugehen.

Nun nahm ich kürzlich an einem Seminar zum Thema „Burnoutprävention“ teil. In diesem wurde mir (neben der „Handhabbarkeit“ und der „Sinnhaftigkeit“) die „Verstehbarkeit“ als eine der drei Säulen in Aaron Antanovskys Salutogenese-Modell ins Gedächtnis gerufen. Demnach ist eine wesentliche Voraussetzung für dauerhafte Gesundheit und Wohlbefinden, dass ich mir erklären, nachvollziehen und ggf. vorhersehen kann, was mir im Außen widerfährt und was ich in meinem Inneren erlebe. Wenn mein Chef also z.B. ständig Entscheidungen trifft und mir daraus resultierend Aufgaben überträgt, die mir nicht einleuchten, fällt es mir schwer, diese Aufgaben zu erfüllen. Auf die Dauer kann die „Nicht-Verstehbarkeit“ damit zu einem stressauslösenden Faktor werden.

Am Abend des vierten von insgesamt fünf Seminartagen lud mich eine Freundin ein, mit ihr zu einer „Milonga“ zu gehen, eine Veranstaltung, bei der Tango Argentino getanzt wird. Bis dahin hatte ich mich noch nie zuvor auf diese Weise durch einen Raum bewegt bzw. bewegen lassen. Überhaupt hatte ich so mein Thema mit dem „Geführt werden“ beim Tanzen.
Einem frisch entdeckten „Mut zur Lücke“ und meiner generellen Lust auf neue Erfahrungen folgend ließ ich mir dennoch von meiner Freundin auf die Schnelle den Grundschritt zeigen und wir machten uns gemeinsam auf den Weg.

Tango

Innerhalb der folgenden 3 Stunden tauchte ich ein in die Welt dieses frei improvisierten Tanzes ohne feste Choreografie, bei dem verschiedene Schrittelemente in beliebiger Weise miteinand er kombiniert werden können. Schnell merkte ich, dass ich hier auf meine Tanz-Erfahrungen aus dem Bereich „Standard und Latein“ nicht nur nicht zurückgreifen konnte, sondern dass sie mir sogar im Wege standen. Mein Kopf versuchte immer wieder, ein System, eine nachvollziehbare Abfolge der Schritte meines Gegenübers festzustellen – die gab es aber scheinbar einfach nicht. Nichts war vorhersehbar, nichts war – für mich – verstehbar. Vielmehr schien es um Mitfließen, Sich-Einlassen, Hingabe und Den-Impulsen-des-Führenden-folgen zu gehen.

Im Laufe des Abends machte ich einige spannende Entdeckungen:

  • Es kann sehr viel Freude machen, sich einfach mal führen zu lassen. Nicht selbst bestimmen, keinen Plan, keine Idee, kein Konzept haben zu müssen, kann sehr erleichternd sein.
  • Ich kann gut folgen ohne zu verstehen, wenn ich das Gefühl habe, „gut“ geführt zu werden. Dann gewinne ich Vertrauen, kann mich dadurch ein- also führen lassen, im Idealfall sogar meine Grenzen erweitern.
  • Gut geführt werden“ heißt für mich: Der Führende nimmt meine Möglichkeiten und Grenzen wahr und passt seine Führung daran an. Aus meiner Art des Folgens zieht er Schlüsse für seine Art der Führung. Beide sind somit in gewisser Weise gleichermaßen Führende und Folgende.
  • Ich habe verschiedene Möglichkeiten, den Schritten des mich Führenden zu folgen. Dabei gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern nur „stimmig“ oder eben „weniger stimmig“.
  • Ich selbst trage die Verantwortung für den Kontakt zu meinem Gegenüber, d.h. ich bestimme z.B., welcher Abstand sich gut für mich anfühlt und ob ich mit dem Impuls meines Gegenübers mitgehen will oder nicht. (Wer A sagt muss nicht B sagen!) Das kann ich immer wieder neu entscheiden. Und habe ich mich für das Mitgehen entschieden, schaue ich weiter: Wie ist die in diesem Moment die für mich passende Art und Weise des Mitgehens? – und verhalte mich entsprechend.
  • In jedem Augenblick sicher in sich stehen (= „In der Achse sein“), ist die Voraussetzung, um jede Schrittkombination zu jedem Zeitpunkt unterbrechen zu können, d.h. nicht ungewollt in etwas „hineinzustolpern“. Dafür brauche ich neben Achtsamkeit und Aufmerksamkeit auch das richtige Schuhwerk und ein gewisses Maß an „Nüchternheit“.
  •  Manchmal reicht es schon, die Grundschritte zu kennen, und ich kann allein damit tolle „Erfolgserlebnisse“ und v.a. richtig viel Spaß haben. Ich  brauche nicht immer eine „abgschlossene Ausbildung“, um etwas Neues anzufangen oder einfach mal auszuprobieren. Ich muss nicht immer „perfekt“ und „Klassenbeste“ sein. „Mut zur Lücke“ und Vertrauen in das „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße“ von Martin Walser (siehe dazu auch meinen Blogeintrag „Aufbruch ohne Mut„) lohnen sich!

Sie können ja selbst mal schauen, was das alles für Sie mit „Burnoutprävention“ und dem oben zitierten Satz von Einstein zu tun haben könnte …

 

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