Aufbruch ohne Mut?
Gedanken zu Frühling und Ostern
Ich mag Abwechslung. Deshalb weiche ich in den Eingangsrunden am Beginn meiner Supervisionssitzungen manchmal ab vom üblichen „Wie geht es Ihnen heute? Wie sind Sie hier?“ und greife stattdessen mit meiner Frage Themen auf, die mich selbst aktuell beschäftigen oder einfach das, was gerade in der Luft liegt.
Im Moment liegt der Frühling in der Luft. Vorgestern war sein kalendarischer Anfang. Und in wenigen Tage ist Ostern. Wie alle christlichen Feste ist dies eines mit vielfältigen Wurzeln, zum Beispiel im jüdischen Passahfest, das an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erinnert. Aber ebenso hat es seinen Ursprung in Frühlings-und Fruchtbarkeitsfesten verschiedener antiker Völker, mit denen nach dem langen dunklen Winter das Wiedererwachen der Natur und die Wiederkehr des Lichts (Ostarum = Morgenröte) gefeiert wird. Bei all diesen Festen geht es um Aufbruch und Neubeginn und damit um genau das, was wir ja jetzt überall um uns herum erleben können.
Daraus ergab sich an die SupervisandInnen meiner Gruppen in den letzten Tagen die Frage: Wo erlebt ihr gerade Auf- oder Umbrüche in Eurem Leben?
Die Antworten spiegelten die ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und auch Haltungen der GruppenteilnehmerInnen wieder: Eine sprach davon, dass die menschliche Existenz doch eigentlich immer Aufbrauch sei, da sich ständig etwas wandelt, Altes endet und Neues beginnt. Ein anderer erzählte von vielen kleinen Aufbrüchen und Veränderungen im letzten Jahr, die ihn mitunter ziemlich viel Kraft kosteten. Eine Dritte beschrieb ihr diffuses Gefühl, dass irgendein Umbruch für sie ansteht, der aber noch nicht recht zu greifen ist. Wie fast immer in den letzten Wochen und Monaten kam früher oder später auch die Problematik der Flüchtlinge zur Sprache und Überlegungen, was die erzwungenen Aufbrüche und der damit verbundene Verlust der Heimat für diese unzähligen Menschen und am Ende auch für uns wohl bedeuten.
Deutlich wurde bei alledem: Aufbrüche sind immer zugleich Chance und Herausforderung. Sie machen sich nicht von allein. Selbst wenn das Leben mich dazu zwingt – am Ende bin ich es, die sich entscheiden und sagen muss: Ja, ich breche auf! Dafür braucht es oft Mut, denn fast immer muss ich in der Folge vertraute Pfade verlassen und mich auf neues, unbekanntes Terrain begeben. Aber es eröffnet auch Möglichkeiten, denn nun kann ich andere Seiten des Lebens, der Welt und an mir selbst zu entdecken.
Ich wünsche Ihnen mit Blick auf den Frühling und das bevorstehende Osterfest genau die Menge und Art Aufbrüche in ihrem Leben, die für sie passend ist und dass sie immer wieder einmal erleben können, wie sich ihnen im Gehen der Weg unter die Füße schiebt.
Mut
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