Fortbildungen – sich Zeit nehmen, seine Werkzeuge zu schärfen
„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel“. Dieser Satz von Paul Watzlawick bringt es wunderbar auf den Punkt, was wahrscheinlich viele in Supervision und Coaching Tätige schon erlebt haben: Unterschiedliche Probleme benötigen unterschiedliche Herangehensweisen, um sie zu lösen. Deshalb mag ich es, neue Methoden zu entdecken und auszuprobieren – mal abgesehen davon, dass es Abwechslung und Bewegung in die Sitzung bringt, egal, ob es sich um Einzel-, Team-, Gruppen- oder Fall-Supervision handelt.
Neue Methoden der Fallbearbeitung waren auch Thema einer Fortbildung, die ich vor kurzem für FallgruppenleiterInnen der Telefonseelsorge durchführte: Von den Teilnehmenden mitgebrachte Fragen und Fälle bearbeiteten wir z.B. mithilfe der Kopfstandmethode, des Ressourcen-Rades oder Zirkulärem Fragen. Die FallgruppenleiterInnen machten ihre Erfahrungen mit den einzelnen Methoden, bekamen ein Gefühl dafür, welche ihnen liegt und welche nicht und einen Eindruck davon, welche sie als geeignet für ihre Arbeit mit den ehrenamtlichen TelefonseelsorgerInnen empfinden.
In der Abschlussrunde meinte eine Teilnehmerin, wie sinnvoll es doch sei, sich immer mal wieder Zeit dafür zu nehmen, in seinen Werkzeugkoffer zu schauen, und diesen um das eine oder andere Utensil oder Hilfsmittel zu erweitern. Eine andere ergänzte, dass man dabei aber auch alte, schon lange vorhandene Werkzeuge wiederentdecken und diese durch das Sich-Erinnern und Ausprobieren für den nächsten Einsatz wieder in Schuss bringen könne. Dem hatte ich nichts hinzuzufügen außer die folgende Geschichte eines Holzfällers:
Die Geschichte vom beharrlichen Holzfäller
Es war einmal ein Holzfäller, der bei einer Holzgesellschaft um Arbeit vorsprach. Das Gehalt war in Ordnung, die Arbeitsbedingungen verlockend, also wollte der Holzfäller einen guten Eindruck hinterlassen.
Am ersten Tag meldete er sich beim Vorarbeiter, der ihm eine Axt gab und ihm einen bestimmten Bereich im Wald zuwies. Begeistert machte sich der Holzfäller an die Arbeit. An einem einzigen Tag fällte er achtzehn Bäume. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte der Vorarbeiter. „Weiter so.“
Angestachelt von den Worten des Vorarbeiters, beschloss der Holzfäller, am nächsten Tag das Ergebnis seiner Arbeit noch zu übertreffen. Also legte er sich in dieser Nacht früh ins Bett.
Am nächsten Morgen stand er vor allen anderen auf und ging in den Wald. Trotz aller Anstrengung gelang es ihm aber nicht, mehr als fünfzehn Bäume zu fällen.“Ich muss müde sein“, dachte er. Und beschloss, an diesem Tag gleich nach Sonnenuntergang schlafen zu gehen.
Im Morgengrauen erwachte er mit dem festen Entschluss, heute seine Marke von achtzehn Bäumen zu über, treffen. Er schaffte noch nicht einmal die Hälfte.
Am nächsten Tag waren es nur sieben Bäume, und am übernächsten fünf, seinen letzten Tag verbrachte er fast vollständig damit, einen zweiten Baum zu fällen.
In Sorge darüber, was wohl der Vorarbeiter dazu sagen würde, trat der Holzfäller vor ihn hin, erzählte, was passiert war, und schwor Stein und Bein, dass er geschuftet hatte bis zum Umfallen.
Der Vorarbeiter fragte ihn: „Wann hast du denn deine Axt das letzte Mal geschärft?“
„Die Axt schärfen? Dazu hatte ich keine Zeit, ich war zu sehr damit beschäftigt, Bäume zu fällen.“
(aus: Bucay, Jorge: Komm ich erzähl dir eine Geschichte, Zürich 2005.)
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